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Der Augenblick im Sturme mit sich führen? -150- Nur kurzen Aufschub. Sammle dein Gemüt, Erwarte eine ruhigere Stunde. BURLEIGH heftig. Erwarte, zögre, säume, bis das Reich In Flammen steht, bis es der Feindin endlich Gelingt, den Mordstreich wirklich zu vollführen. Dreimal hat ihn ein Gott von dir entfernt. Heut hat er nahe dich berührt, noch einmal Ein Wunder hoffen, hieße Gott versuchen. SHREWSBURY. Der Gott, der dich durch seine Wunderhand Viermal erhielt, der heut dem schwachen Arm Des Greisen Kraft gab, einen Wütenden Zu überwältgen - er verdient Vertrauen! Ich will die Stimme der Gerechtigkeit Jetzt nicht erheben, jetzt ist nicht die Zeit, Du kannst in diesem Sturme sie nicht hören. Dies eine nur vernimm! Du zitterst jetzt Vor dieser lebenden Maria. Nicht Die Lebende hast du zu fürchten. Zittre vor Der Toten, der Enthaupteten. Sie wird Vom Grab erstehen, eine Zwietrachtsgöttin, Ein Rachegeist in deinem Reich herumgehn, Und deines Volkes Herzen von dir wenden. Jetzt haßt der Brite die Gefürchtete, Er wird sie rächen, wenn sie nicht mehr ist. Nicht mehr die Feindin seines Glaubens, nur Die Enkeltochter seiner Könige, -151- Des Hasses Opfer und der Eifersucht Wird er in der Bejammerten erblicken! Schnell wirst du die Veränderung erfahren. Durchziehe London, wenn die blutge Tat Geschehen, zeige dich dem Volk, das sonst Sich jubelnd um dich her ergoß, du wirst Ein andres England sehn, ein andres Volk Denn dich umgibt nicht mehr die herrliche Gerechtigkeit, die alle Herzen dir Besiegte! Furcht, die schreckliche Begleitung Der Tyrannei, wird schaudernd vor dir herziehn, Und jede Straße, wo du gehst, veröden. Du hast das Letzte, Äußerste getan, Welch Haupt steht fest, wenn dieses heilge fiel! ELISABETH. Ach Shrewsbury! Ihr habt mir heut das Leben Gerettet, habt des Mörders Dolch von mir Gewendet - Warum ließet Ihr ihm nicht Den Lauf? So wäre jeder Streit geendigt, Und alles Zweifels ledig, rein von Schuld, Läg ich in meiner stillen Gruft! Fürwahr! Ich bin des Lebens und des Herrschens müd. Muß eine von uns Königinnen fallen, Damit die andre lebe - und es ist Nicht anders, das erkenn ich - kann denn ich Nicht die sein, welche weicht? Mein Volk mag wählen, Ich geb ihm seine Majestät zurück. Gott ist mein Zeuge, daß ich nicht für mich, -152- Nur für das Beste meines Volks gelebt. Hofft es von dieser schmeichlerischen Stuart, Der jüngern Königin, glücklichere Tage, So steig ich gern von diesem Thron und kehre In Woodstocks stille Einsamkeit zurück, Wo meine anspruchlose Jugend lebte, Wo ich, vom Tand der Erdengröße fern, Die Hoheit in mir selber fand - Bin ich Zur Herrscherin doch nicht gemacht! Der Herrscher Muß hart sein können, und mein Herz ist weich. Ich habe diese Insel lange glücklich Regiert, weil ich nur brauchte zu beglücken. Es kommt die erste schwere Königspflicht, Und ich empfinde meine Ohnmacht BURLEIGH.Nun bei Gott! Wenn ich so ganz unkönigliche Worte Aus meiner Königin Mund vernehmen muß, So wärs Verrat an meiner Pflicht, Verrat Am Vaterlande, länger stillzuschweigen. - Du sagst, du liebst dein Volk, mehr als dich selbst, Das zeige jetzt! Erwähle nicht den Frieden Für dich und überlaß das Reich den Stürmen. - Denk an die Kirche! Soll mit dieser Stuart Der alte Aberglaube wiederkehren? Der Mönch aufs neu hier herrschen, der Legat Aus Rom gezogen kommen, unsre Kirchen Verschließen, unsre Könige entthronen? - Die Seelen aller deiner Untertanen, Ich fodre sie von dir - Wie du jetzt handelst, -153- Sind sie gerettet oder sind verloren. Hier ist nicht Zeit zu weichlichem Erbarmen, Des Volkes Wohlfahrt ist die höchste Pflicht; Hat Shrewsbury das Leben dir gerettet, So will ich England retten - das ist mehr! ELISABETH. Man überlasse mich mir selbst! Bei Menschen ist Nicht Rat noch Trost in dieser großen Sache. Ich trage sie dem höhern Richter vor. Was der mich lehrt, das will ich tun - Entfernt euch, Mylords! Zu Davison. Ihr, Sir! Könnt in der Nähe bleiben! Die Lords gehen ab. Shrewsbury allein bleibt noch einige Augenblicke vor der Königin stehen, mit bedeutungsvollem Blick, dann entfernt er sich langsam, mit einem Ausdruck des tiefsten Schmerzes. Zehnter Auftritt Elisabeth allein. O Sklaverei des Volksdiensts! Schmähliche Knechtschaft - Wie bin ichs müde, diesem Götzen Zu schmeicheln, den mein Innerstes verachtet! Wann soll ich frei auf diesem Throne stehn! Die Meinung muß ich ehren, um das Lob Der Menge buhlen, einem Pöbel muß ichs Recht machen, dem der Gaukler nur gefällt. -154- O der ist noch nicht König, der der Welt Gefallen muß! Nur der ists, der bei seinem Tun Nach keines Menschen Beifall braucht zu fragen. Warum hab ich Gerechtigkeit geübt, Willkür gehaßt mein Leben lang, daß ich Für diese erste unvermeidliche Gewalttat selbst die Hände mir gefesselt! Das Muster, das ich selber gab, verdammt mich! War ich tyrannisch, wie die spanische Maria war, mein Vorfahr auf dem Thron, ich könnte Jetzt ohne Tadel Königsblut versprützen! Doch wars denn meine eigne freie Wahl Gerecht zu sein? Die allgewaltige Notwendigkeit, die auch das freie Wollen Der Könige zwingt, gebot mir diese Tugend. Umgeben rings von Feinden hält mich nur Die Volksgunst auf dem angefochtnen Thron.
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