Podobne

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Schreiben von 9 Der Große Kamerad: auf so bewundernswerte
Weise gefunden hat. «Mon credo en art et en littérature est
l'enfance. Arriver à la rendre sans aucune puérilité, avec sa
profondeur qui touche les mystères. Mon livre futur sera peut-
être un perpétuel va-et-vient insensible du rêve à la réalité:
9 rêve: entendu comme l immense et imprécise vie enfantine
planant au-dessus de l'autre et sans cesse mise en rumeur par
les échos de Vautre.»
Alain-Fournier ist zwar keiner der großen französi-
schen Schriftsteller, aber er ist einer, der, wenn auch die Zeit
sich geändert hat, dem französischen Herzen immer lieber
wird. Er ist, wie Peguy auch, einer von denen, die uns erken-
nen lassen, was wirklich französisch ist. Aus ihm spricht die
Stimme Frankreichs stark und klar. Es ist noch einmal «la
douce France», das milde, weise, duldsame Frankreich, das
sich nur denen offenbart, denen es vergönnt ist, mit ihm auf
vertrautem Fuß zu leben.
Es ist eine verbreitete Redensart, daß in Frankreich die
Kinder alt geboren werden. Das Ungestüm und die Ausge-
lassenheit der Jugend ist kurzlebig. Verantwortungen werden
auf die Schultern geladen, noch ehe man die Flegeljahre hinter
sich gebracht hat. Die Folge ist die Kultivierung des Spiel-
triebs. Das Kind wird geliebt, der Weise geachtet, die Toten
werden geehrt. Die Kunst aber durchdringt alle Lebensberei-
che, vom Heiligtum bis zur Küche. Um den Geist Frankreichs
zu ergründen, muß man seine Kunst studieren; dort zeigt er
sich unverhüllt.
Kaum war der Krieg beendet und die Verbindung wie-
derhergestellt, da hörten wir von der mutigen Beharrlichkeit
der Künstler. Beinahe das erste, was Frankreich von der Au-
ßenwelt verlangte, waren Bücher - Bücher und Druckpapier.
Während des ganzen Krieges hatten seine großen Maler ihre
Arbeit fortgesetzt. Die älteren zeigten eine geradlinige Ent-
wicklung und eine erstaunliche Entfaltung, bedenkt man ihre
Isolierung. Die Schrecken des Krieges hatten den Geist der
Künstler nicht aufgerieben, sondern vertieft. Sowohl jene, die
geflohen, als auch die, die zurückgeblieben waren, hatten et-
was Neues und Kraftvolles aus den Jahren der Niederlage und
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Demütigung vorzuweisen. Ist das nicht das Zeichen eines un-
besiegbaren Geistes? Die Feinde Frankreichs hätten es zwei-
fellos lieber gesehen, wenn seine Künstler bis zum letzten
Mann gestorben wären. Für sie riecht dieses Bild einer stillen,
beharrlichen Hingabe an die Kunst nach Feigheit und Resi-
gnation. Wie kann ein Mensch weiterhin Blumen oder Un-
geheuer malen, wenn der Absatz des Eroberers seinem Land
im Nacken steht, so fragen sie. Die Frage beantwortet sich
selbst. Sie haben keine «Blumen oder Ungeheuer» gemalt! Sie
malten die Erfahrungen, die ihre Seele aufgezeichnet hatte. Sie
formten Schmerz und Brutalität in Symbole der Schönheit und
Weisheit um. Sie überlieferten oder restaurierten, wenn man
will, das getreue Abbild des Lebens, das von den Sinnlosigkei-
ten und Schrecken des Krieges verdunkelt wurde. Während
sich die Maginotlinie als eine illusorische Verteidigung gegen
den Eindringling erwies, enthüllte der Geist der französischen
Künstler etwas weit Dauerhafteres. Die Besessenheit von der
Schönheit, der Ordnung, der Klarheit - und warum sollte ich
nicht hinzufügen 9 der Mildtätigkeit: ? -, das ist es, was dem
Geist der Schöpfung, der auch der wahre Sitz des Widerstan-
des ist, zugrunde liegt. Es waren Arme im Geiste, die sich eine
Maginotlinie ausdachten. Die Künstler sind nicht von dieser
Art. Sie sind, wie man uns schon sooft versichert hat, die ewig
Jungen. Sie verbünden sich mit allem, was überdauert, mit
dem, was selbst über Niederlagen triumphiert. Der Künstler
leistet dem Geist der Zeit nicht Widerstand, er ist ein Teil von
ihm. Der Künstler ist kein Revolutionär, er ist Rebell. Der
Künstler hungert nicht nach Erfahrung um der Erfahrung wil-
len, sondern nur sofern sie seiner Einbildungskraft dient. Der
Künstler weiht sich nicht der Erhaltung seines Landes, sondern
der Erhaltung dessen, was menschlich ist. Er ist das Binde-
glied zwischen dem Menschen von heute und dem Menschen
der Zukunft. Er ist die Brücke, über die die Menschheit schrei-
ten muß, ehe sie in das Himmelreich treten kann. Dürfen wir
von ihm, der Zutritt zum Paradiese hat, sagen, er tauge zu
nichts, wenn er sich nicht freiwillig erschlagen ließe? Wo sol-
len wir Zuflucht und Kraft finden, wenn nicht bei denen, die
ihr Leben der Entfaltung von Schönheit, Wahrheit und Liebe
weihen?
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Diese patriotischen Rächer, die so durstig und gierig
auf die Vernichtung auch des allerletzten Menschen aus sind -
auf was für einem Fundament hoffen sie aufbauen zu können?
Auf Blut und Sand? Jede Generation steht inmitten von Rui-
nen, Ruinen, die von Blut dampfen. Jede Generation versucht
Ordnung herzustellen, in Frieden zu arbeiten, aus Todesqualen
Musik zu schaffen. Manche geben vor, in diesem ständigen
Drama von Mißerfolg und Enttäuschung eine abstrakte ge-
schichtliche Entwicklung zu sehen. Sie fordern uns auf, über
das vergossene Blut hinwegzusehen. Sie verlangen von uns,
die Ohren zu verstopfen, wenn wir uns winden vor Qual ob
der Schreie der Verwundeten und Verstümmelten. Sie lesen in
den blutigen Fußspuren Molochs Fortschritt und Entwicklung.
Sie heiligen die Opfer, die dieser unersättliche Gott der Ge-
schichte ohne Unterlaß fordert. Sie brüllen vor Entrüstung,
wenn man diese Lebensanschauung abergläubisch nennt. Wir
wissen, was die Wirklichkeit ausmacht, sagen sie. Wir haben
den Finger am Puls des Lebens. Es verhält sich so und nicht
anders, weil es sich so und nicht anders verhalten muß. Logik!
Die Logik des Erdenwurms.
Nein, ich bin glücklich, sagen zu können, daß dies
nicht die Ansicht des schöpferischen Geistes ist. Die Verteidi-
ger des Lebens haben keine so scharf geschliffene Logik zur
Verfügung. Sie sind keine Opfer des Denkens, sie sind die
Erwecker von Weisheit und Gerechtigkeit. Sie sprechen nicht
vom Frieden und fahren gleichzeitig fort, neue und noch ver-
heerendere Zerstörungswaffen zu bauen. Sie gehen ihren vor-
bestimmten Weg 9 ohne Rücksicht: auf den Zustand der Welt.
Vielleicht können wir besser verstehen, wozu sich
diese Anhänger des Lebens bekennen, wenn wir die schlichten
Worte des jungen Alain-Fournier noch einmal lesen, der sich,
des Kampfes müde, zum Opfer auf dem Schlachtfeld darbot:
«Je dis que la sagesse est de renoncer ä sa pensée, aux
châteaux de cartes de sa pensée, et de s'abandonner à la vie.
La vie est contradictoire, ondoyante - pourtant enivrante - et
pourtant là où elle nous mène est le vrai.»
Heute morgen erwachte ich inmitten einer Traumlandschaft.
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Ich hörte den Schaffner «Châtellerault» rufen - oder war es
«Châtelleroux»? Das hieß, daß ich wieder auf dem Weg nach
Süden war. Da war er auch schon, der Ton der kleinen Trom-
pete, und dann eine Stimme, die brüllte: «En voiture! En voi-
ture!» Bald rumpelt und schaukelt der gebrechliche Wagen auf
dem Schmalspurgleis. Es ist ein rapide, was nicht heißt, daß es
ein Expreßzug ist. In der Nacht jedoch fliegt er wie der Wind.
In einem französischen Zug habe ich immer den Eindruck, er
sei das schnellste Ding auf Rädern.
Auf der Reise nach Süden fliegen meine Gedanken
nach Norden, Osten und Westen. All die Orte, die ich irgend-
wann einmal besuchen wollte, kommen mir in den Sinn. Gera-
de jetzt träume ich von Provins. (War es nicht Balzac, der
sagte, Provins sei von allen Orten, die er gesehen habe, dem
Paradies am nächsten?) Eines Tages, kurz nach meiner An-
kunft in Paris, war ich in die Bibliothèque Nationale gegangen
und hatte in meinem lahmen Französisch gefragt, ob ich mir
die wunderbaren Schachfiguren aus der Zeit Karls des Großen
ansehen dürfe. Nach einer bezaubernden Unterhaltung mit
einem der Direktoren fragte der Mann, ob ich je Provins be-
sucht habe. «Fahren Sie hin, sobald Sie können», drängte er, [ Pobierz caÅ‚ość w formacie PDF ]

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